10 Januar 2014

schwimmbad-potpourri

wer behauptet, deutschland sei kinderarm, der war noch nie sonntags in einem schwimmbad.

also ich war dort. letztens. zu schwimmbädern verschlägt es mich oft, und zwar immer dann, wenn mich der familienausflugs-teufel reitet und ich den familiensinn demonstrativ ausleben will. dann packe ich meine drei sachen - mann, kind und smartphone ein und begebe mich ins freizeitbad unserer heißkalt geliebten nachbarstadt wiesbaden.

nachdem ich meine platzphobie in der umkleidekabine bekämpft habe und mich in meinem badeanzug wiederfand (was wiederum eine platzphobie auslöste, aber die ist selbstverschuldet...), musste ich mich erstmal orientieren, denn vor lauter menschen habe ich glatt das schwimmbecken übersehen. glücklicherweise fanden wir doch noch ein paar freie wassertropfen, dem badevergnügen stand nichts mehr im wege.  


so in etwa fühlte es sich an. ich bin die blaue hier, rechts im bild (foto: privat)
mögen die statistiken vom kinderarmen deutschland sprechen. hier im schwimmbad hatte ich kurz zweifel. wahrscheinlich waren alle kinder zur zeit der statistikerhebung einfach hier, im schwimmbad.  

kleine kinder, große kinder, dicke kinder, dünne kinder, mit schwimmflügeln oder schwimmringen, in badeanzügen oder splitterfasernackt. sie plantschten, schwammen, tauchten, spielten ball, weinten, wenn der ball nicht da landete wo er soll - sondern mitten im gesicht, glucksten, lachten, kreischten, und hatten offensichtlich einen heidenspaß miteinander. die kleinen fisch-monster.

(foto: privat)

vielleicht bemerkt auch der kinderlose otto-normal-mensch  die existenz von kindern deshalb nicht, weil es im öffentlichen raum einfach zu wenig möglichkeiten gibt, wo sich eltern mit ihren zöglingen aufhalten können?!  

besonders in kalter jahreszeit wird das thema kindsunterhaltung für eltern ganz schnell zum logistischen problem.

beispiel cafés. in mainz gibt es gerade mal ein einziges eltern-kind-gerechtes café, das café lönneberga, das vor gar nicht allzu langer zeit eröffnet hat – und schon jetzt komplett überfüllt ist. weil ja klar, marktlücke.  

die anderen großen café-ketten haben vielleicht mal, wenns hoch kommt, eine spielecke - die sich allerdings entweder auf einen fernseher mit zeichentrick in dauerschleife beschränkt (und kinder in tv-zombies verwandelt) oder um punkt 17 uhr abgeräumt wird, gerade dann, wenn die kitas die letzten kids herausgeschoben haben und die mamas untereinander zu netzwerken beginnen.  
in allen anderen cafés bleiben spielecken nur ein frommer wunsch der eltern und woanders erntet mom augenverdrehende, genervte, böse blicke, wahlweise gewürzt mit besserwisserischen kommentaren bezüglich der angeblich mangelnden oder nicht vorhandenen manieren seines sprösslings (nur weil kinder sich nun mal gerne bewegen und unabsichtlich laut sind)

schwimmbäder sind also ein willkommenes familienparadies.
es sind cafés der nassen art.

und was für welche. da entstehen blühende liegelandschaften aus frottee und bademanteln. picknicke werden veranstaltet, salate und brötchen herüber gereicht. würde mich nicht wundern, wenn demnächst eine_r am grill steht und würstchen wendet.

manchmal fühlte ich mich aber auch wie im urlaub. weil, nun ja viele kinder und ihre eltern habe ich nicht verstanden. weil sie den sogenannten migrationshintergrund hatten. und die entsprechende migrationssprache sprachen.  

der besuch beim dampfbad trieb mir also alsbald die assoziationen eines „orientalischen“ basars/cafés ins hirn.  
denn als ich die türe aufmachte um mich mal kurz im dampfbad aufzuwärmen, wurde ich nicht nur vom dampf, sondern auch von zahlreichen nicht-deutschen sprachen umnebelt (und tja, seltsamerweise hörte ich da nur die männer sprechen. und da soll einer behaupten, wir frauen hätten ein loses mundwerk...lasst mich mal kurz laut lachen).  

ich musste kurz den impuls unterdrücken, mir automatisch einen kaffee zu bestellen und suchte einen sitzplatz. es gab keinen. denn ihr erinnert euch-
schwimmhalle. 
war.
voll.  

also stellte ich mich vor den heizkessel. der stand in der mitte des raums. um ihn herum: männer. mit badetüchern über die schultern, mit denen sie sich oder ihren freunden heiße luft zufächerten.  
oder vielleicht auch, versenkt in meditativer katharsis, geißelten.

das verhalten mancher männer kam mir dann nach einer weile des beobachtens doch irgendwie... weltentrückt vor. wie sie so um diesen heizkessel standen. ihn vorsichtig, fast ehrfurchtsvoll berührten. und dann hat doch tatsächlich einer angefangen, etwas vor sich hin zu singen! spätestens da dachte ich: ich bin in mekka und der heizkessel hier ist kaaba. zum glück hat meine widerspenstige mich davor zurückgehalten, instinktiv die hände zusammenzufalten und die augen niederzuschlagen. nichtdestotrotz wollte ich dem schauspiel nicht fernbleiben. ich fror. also versenkte ich mich, als dann doch noch ein platz auf der bank frei wurde, in meine form des gebets, dem gegenwartsbewussten und stillen da“sein“.

street art mainz. (foto: privat)


nachdem ich geläutert, pardon, aufgewärmt auf dem nachhauseweg war, konnte ich der schieren erkenntnisse, die mir ein einziger schwimmbadtag brachte kaum herrin werden und musste mich erstmals meinen alltäglichen gedankenmonstern widmen, um mich zu sortieren.
wenn mich also demnächst mal eine_r fragt, ob ich irgendwelche eltern-kind-cafés, interkulturelle begegnungsstätten oder spirituelle/religiöse tempel kenne sag ich: geh schwimmen.














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