19 Februar 2014

entweder ihr esst fleisch – oder ihr heult der kleinen giraffe hinterher. beides zusammen ist schizophren.


genau. wer beides tut, sorry: der ist ein heuchler. und solche mag ich nicht leiden.

jüngst empörte die öffentliche schlachtung einer kleinen giraffe die ganze nation. sofort wurden petitionen für die entsprechende zooschließung gestartet und der zuständige direktor muss seitdem um sein leben fürchten.
„und das soll er auch, diese mistsau“, sagt der wutschnaubende wutbürger, habe er es doch tatsächlich gewagt, ein junges giraffenkalb zu schlachten. und es an die löwen zu verfüttern! und das nicht nur vor einem publikum mit kindern (!) vor ort. sondern sogar noch fröhlich vor den kameras posierend.

als ich das alles beobachtete und las, wurde mein kopf ebenfalls immer dunkler. vor empörung und wut. doch nicht auf den zoodirektor. sondern über diese heuchlerische doppelmoral eines jeden, der dabei mitmacht, petitionen unterschreibt, mordbriefe verfasst - und in gleichen augenblick ne scheibe wurst auf sein brötchen platziert.

jetzt bitte mal ganz ehrlich – was regt ihr euch so auf? doch nicht etwa, weil ihr findet, dass das töten eines tieres barbarisch ist? wenn ja, dann muss ich aber jetzt ganz laut lachen.
jedes jahr werden 800 millionen – zugegeben, weniger exotischen - tiere geschlachtet. schweine, kühe, rinder, geflügel. sie alle leben ebenfalls mitten unter uns. unter unwürdigsten zuständen. eigentlich ist in diesem zusammenhang von „leben“ zu reden, blanker hohn. sie vegetieren vor sich hin. aber uns interessiert es nicht. sie tun dies abseits unserer augen.

diesen tieren weint kein mensch hinterher. im gegenteil. da geht man auf die barrikaden, WEGEN EINEM VEGGIE-DAY in der kantine!!! auch dazu könnte ich mich aufregen. aber stattdessen verweise ich auf den fleischatlas als lektüre. darin enthalten: wertvolle informationen, wie unser fleischkonsum den welthunger entstehen lässt - und was bereits ein tag ohne fleischkonsum für die tiere, die länder des globalen südens und die umwelt bewirken könnte. 

auch kinder haben ein recht auf wahrheit

kinder sind nicht dumm. aber sie werden gerne für dumm gehalten.
klar, fand ich es anfangs ebenfalls fraglich, ob man den kindern schon die wahrheit über den „ursprung“ von fleisch zeigen soll. aber gleich im nächsten augenblick stellte sich mir nur die frage: ab wieviel jahren sollten sie es wissen.
ich teile nicht die meinung, dass man kindern vorenthalten soll, dass tiere geschlachtet werden müssen, um sie zu essen. dass löwen sich nicht von salat ernähren, ist ja schon durchgedrungen. warum also auch nicht zeigen, wie fleisch „entsteht“? tja, und dasselbe gilt auch für ihre eigene bärchenwurst. oder sollen sie wirklich glauben, diese materialisiert sich einfach so auf ihrem brötchen???

in anderen teilen der erde, die wir gerne mal „unterentwickelt“ nennen, sind die kinder da um einiges „schlauer“ als unserereins. sie wissen, dass fleisch von tieren kommt, und dass tiere dafür sterben müssen.

wenn man schon fleisch essen will, dann soll man bitte schön die ganze wahrheit der fleischentstehung kennen. jede andere haltung ist in meinen augen schizophren.

ich selbst bin keine militante vegetarierin und auch keine hippe veganerin. (nobody is perfect - aber ich strebe dahin und komme sicher bald an). ich bewege mich nah an diesen grenzen. ich ernähre mich fleischarm – sofern dies in einem fleischliebenden männerhaushalt eben möglich ist – und achte darauf, dass ich wenigstens „glückliches“ fleisch kaufe.
meinem kitasohn erzähle ich zumindest keine märchen über seine „wuuust“. schließlich ist er die generation, die alles besser machen soll und die fehler der alten nicht wiederholen.

verurteilenswert ist diese grausame massentierhaltungsmaschinerie, die wir entwickelt haben.

verurteilenswert ist die tatsache, dass wir gern die finger in die ohren stecken, die augen verschließen und ganz laut "la la la - was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß" trällern.

man muss nicht komplett auf fleisch verzichten – in manchen gesellschaften ist dies auch gar nicht möglich, siehe z.b. indigene gesellschaften in grönland. was diese menschen aber von uns unterscheidet: sie töten ihre tiere selbst. und sie töten sie, weil sie sonst selbst sterben würden. oder wie soll man in einer eislandschaft kartoffeln anbauen?

ich werde jetzt gar nicht die frage diskutieren, woher wir uns überhaupt das recht herausnehmen, andere lebewesen zu ermorden um sie zu essen. argumente, in welchen die worte "bibel", "gottgewollt", "mensch ist krönung der schöpfung  und "tradition" müssten wirklich getrennt diskutiert werden, das würde wieder mal ein viel zu langer blogeintrag und das erfordert mehr freie zeit, die ich gerade nicht habe. nur soviel: die bibel wurde von menschen geschrieben; was gott gewollt hat, ist vielleicht nicht dasselbe was der mensch in seine worte interpretiert hat; und traditionen sind erfindungen. wer's nicht glaubt, der tut mir zutiefst leid und dem sage ich: es gibt hierzu massenhaft literatur.

wir sollten – wenn wir auf fleisch nicht verzichten wollen – eben auch manns und weibs genug sein, und dem tier, das wir essen, in die augen sehen können. wir sollen dem tier dankbar sein, dass es sein leben für unseres hergibt.

ihr habt vielleicht gemerkt, ich habe mich mit dem thema schon mal beschäftigt.
der darunter folgende artikel erschien letztes jahr im magazin, das sich „heute leben“ nennt.
hier die (fast) originale version:


Ein Dank an das Leben – was wir von Schamanen lernen können

Das Essen gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden Lebewesens. Ohne Nahrung kein Leben. In frühen Jagdgesellschaften führte dieses Wissen dazu, dass den erlegten Tieren als Lebensspender großer Dank gezollt wurde. Unser Verhältnis zu den Nutztieren, den „Fleischlieferanten“ ist jedoch zu selbstverständlich geworden - und bedarf einer gründlichen Revision.

Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die Ernte ist eingesammelt, und Kühe und Schafe sind von ihren Sommerweiden sicher in die Ställe zurückgekehrt. Am Abend versammelt sich die Familie vor einem reich gedeckten Tisch. Alle nehmen Platz ein, die Augen ruhen auf dem lecker duftenden Braten, der einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Doch bevor alle beherzt zu Gabel und Messer greifen, wird ein Dankgebet gesprochen: „Segne Vater diese Speisen, Amen.“

Für das Essen, das auf dem Tisch steht, zu danken, diese Praxis ist auch heute noch in den Hochreligionen üblich. Mittlerweile leben jedoch viele Menschen, in deren Leben Religion kaum eine Rolle spielt und die kein transzendentales/göttliches Wesen als Verursacher eines reichlich gedeckten Tisches anerkennen, dem sie sich zu Dank verpflichtet fühlen. Mal ganz ehrlich – wer spricht heute schon mal ein Dankgebet, bevor er in sein Brötchen beißt oder sein frisch gegrilltes Steak verspeist?

In der Tat – wenn wir um uns schauen und sehen, wie wir heute mit den Nahrungsmitteln umgehen, dann kann von Dankbarkeit kaum die Rede sein. Lebensmittel werden weggeworfen, weil sie den von der Wirtschaft vorgegebenen Normen nicht entsprechen – nur gerade Gurken verkaufen sich gut, die krummen landen direkt in der Mülltonne, in Restaurants wandern halb verzehrte Schweinehaxen zurück in die Küche, wo sie auf der Stelle entsorgt werden, denn dies noch zu essen schickt sich nicht.

Diese Wertschätzung für die Gaben der Natur - insbesondere für die Fleischprodukte - ist uns abhanden gekommen. Daran schuld ist nicht nur der Überfluss - dank Massentierhaltung brutzelt oder schmort in unseren Küchen anonymes Fleisch, das in keiner Weise mehr daran erinnert, ein Lebewesen gewesen zu sein.

Jagdmagie bei den schamanischen Gesellschaften

Früher war das anders. In Zeiten, als Menschen noch Jäger und Sammler waren - als das Beschaffen von Nahrung ein tägliches Muss, eine erfolgreiche Jagd für den Fortbestand der ganzen Gemeinschaft überlebensnotwendig – hatten sie zu den Tieren, die sie jagten eine besondere Beziehung.

Schon bevor sie zur Jagd aufbrachen, versuchten sie, durch magische Rituale mit den Geistmächten, den „Herren“ der gejagten Tiere in Kontakt zu treten. Dies war die Aufgabe von Schamanen. Sie waren religiöse und oft soziale Oberhäupter in ihrer Gesellschaft, vereinten vielerlei Funktionen, die allesamt dem Fortbestand der Gemeinschaft dienten. Auch der Erhalt der Nahrungsquellen gehörte dazu. Also wurden Schamanen konsultiert, um herauszufinden, wo sich die Jagdtiere befanden. Verlief eine Jagd erfolglos, war es die Aufgabe des Schamanen, nach der Ursache zu suchen. Dies taten sie, indem sie im Zustand einer Trance, bei der sich die Seele des Schamanen vom Körper trennt zu den Geistmächten reisten, um diese zu versöhnen und darum zu bitten, die Tiere für die Jagd freizugeben - denn nur jene Tiere, die von den Herrengeistern eigens dazu bestimmt waren, konnten auch erbeutet werden, schreibt der Ethnologe Klaus E. Müller in seinem Einführungswerk über den Schamanismus.

Die erlegten Tiere waren also dazu auserkoren, so der Glaube in schamanischen Gesellschaften, ihr Leben für das der Menschen zu opfern. Dafür dankte man ihnen auf verschiedene Weisen, etwa indem man versuchte, alle Bestandteile des Tieres zu verbrauchen. So wurde nicht nur das Fleisch zubereitet und verzehrt, sondern auch die Innereien; aus Fellen wurde Kleidung hergestellt, aus Zähnen und Federn Schmuck oder Verzierungen für die zeremoniellen Gewänder.

Die Knochen der Tiere jedoch legten die Schamanen, so etwa in den indigenen Gesellschaften Zentralasiens, in der Wildnis wieder aus - und gaben somit dem Herrengeist der Tiere die Möglichkeit, diese wieder mit Fleisch zu bedecken und zum neuen Leben zu erwecken.

Schamanismus als Lehre vom Leben in Einklang mit der Natur

Schamanen waren Magier – sie waren Vermittler zwischen der Welt der Menschen und der Welt der Geister, vermochten mit Natur(mächten) in Kontakt zu treten und diese zu Gunsten ihrer Gemeinschaft beeinflussen. Sie waren Heiler, Weissager und Bewahrer der Geschichte ihres Volkes. Ein solches Bild von ihnen kristallisierte sich zumindest im Laufe der europäischen Auseinandersetzung mit dem Phänomen genannt Schamanismus.

So verwundert es nicht, dass der Schamane - ein Mensch, der offenbar ein Leben im Einklang mit der Natur, als ein Teil von ihr, zu leben vermochte – zum "edlen Wilden" schlechthin hochstilisiert wurde und viele Menschen des euroamerikanischen Raums, die von den Errungenschaften der Aufklärung und der modernen, säkularen Zivilisation enttäuscht, sich mit ihm und seiner Weltanschauung zu identifizieren suchten.

Heute erfreut sich das Phänomen Schamanismus in westlichen Gesellschaften einer hohen Popularität. Insbesondere zwei Personen waren maßgeblich daran beteiligt, dass die Auseinandersetzung mit dem Schamanismus die Universitäten verließ und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde: Mircea Eliade und Michael Harner. Beide erforschten schamanische Kulturen und kamen zu der Schlussfolgerung, dass es sich im Schamanismus um ein religiöses Ur-Phänomen, eine archaische Spiritualität handelt. Den Schamanen kam hierbei eine zentrale Rolle zu: sie hatten die Fähigkeit, mit dem Heiligen in Kontakt zu treten. Früher, in einer Zeit vor unserer Zeit (bevor es überhaupt eine Menschheitsgeschichte gab), war jeder Mensch - so der Religionswissenschaftler Mircea Eliade - in der Lage, diesen Kontakt zum Heiligen selbst herzustellen. Doch ging diese Fähigkeit, wohl aufgrund eigenen Verschuldens, verloren. Nur Schamanen behielten diese Fähigkeiten. Doch sowohl Eliade als auch der amerikanische Anthropologe Michael Harner waren sich sicher:Jeder Mensch könne den Kontakt zum Heiligen herstellen, in jedem Menschen schlummert also „schamanisches Potential“. Es muss nur offen gelegt werden. Und so gründete Harner in den 1980er Jahren die "Foundation for Shamanic Studies", die erste Schule, in welcher Interessierte und Sinnsuchende aus aller Welt – vorgeblich aber aus westlichen Gesellschaften - das schamanische Weltbild und die archaischen "Ekstasetechniken" erlernen konnten.

Eben diese Aussicht – nämlich mit dem "Heiligen" (wieder) in Kontakt zu treten, und sich als Teil eines großen Ganzen zu fühlen - erklärt wohl das große Interesse und die Faszination an dieser uralten, noch dazu "exotischen", da außereuropäischen, Weltanschauung. Hierin hat jeder seinen Platz, die Welt ist nicht bloß tote Materie, sondern ist belebt – und in allen Dingen, die uns umgeben, atmet das Leben, dem es mit Respekt zu begegnen ist.

Wir müssen wieder lernen, zu danken und das Leben zu ehren

„Tatsache ist, dass unser menschliches Essen komplett aus Seelen besteht,“ erklärte einst ein Schamane dem Polarforscher und Volkskundler Knud Rasmussen.

All die Kreaturen, die wir töten und essen müssen, alle, die wir erschlagen und zerstören müssen, um daraus Kleidung für uns selbst zu machen, sie alle haben Seelen, so wie wir.“

Mit diesem Dilemma - nämlich Leben nehmen zu müssen, um Leben zu geben – haben sich die Menschen, insbesondere in Jagdgesellschaften, schon immer beschäftigt und sich in sakralen Ritualen von dieser „Schuld“ zu befreien versucht. Wenn wir aber die Steaks bereits abgepackt, die Hähnchenbrustfilets enthäutet und zurechtgeschnitten, die Rinder und Schweine als Hackfleisch an der Fleischtheke abholen, so vergessen wir allzugerne, dass es sich um Lebewesen handelt, die in gewissem Sinne ihr Leben für das unsere hergegeben haben. Und dies gilt es, sich wieder in Erinnerung zu rufen.

Dankbar zu sein, demütig anzunehmen, was uns die Natur beschert – dies wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, zu zeigen, dass man das Leben, die Schöpfung – und durch sie auch Gott (was nichts anderes als LEBEN bedeutet) – ehrt. Und auch wenn wir heutzutage nicht mehr selbst auf die Jagd gehen müssen und den gejagten Tieren in die Augen schauen, so können wir dennoch was von den Schamanen von damals und heute abschauen und Gottes Schöpfung nicht bloß als tote Materie wahrzunehmen, sondern als belebtes Sein.

Dankbarkeit wäre ein wünschenswertes Ziel.







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